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In Venedig, im großartigen Palazzo Moccenigo fand 1624 die Uraufführung eines Werkes von Claudio Monteverdi  statt, das er später neben anderen in seinem achten Madrigalbuch 1  unter dem Titel Il Combattimento di Tancredi e Clorinda veröffentlichte.  Leider wissen wir wenig über die näheren Umstände  der Aufführung, nur Monteverdi selbst gibt einige Nachricht in einem Vorwort, wo er neben Anweisungen für die Ausführenden sagt, dass die Zuschauer derart ergriffen waren, dass sie zu applaudieren vergaßen.

 

Weiterhin findet sich in diesem Vorwort der Satz: Clorinda a piedi armata, seguita da Tancredi armato sopra ad un Cavallo Mariano.  ( Clorinda zu Fuß und bewaffnet, wird verfolgt vom bewaffneten Tancredi  auf einem  Mariano-Pferd.0 )  Damit ist das Combattimento eines der leider höchst seltenen Werke, indem ein direkter Zusammenhang zwischen dem Auftritt eines Pferdes und der Musik  zu finden ist. 

Des weiteren taucht im Werk noch zweimal das Wort Cavallo auf. Zum ersten als Titel der Musik, die zu Erscheinen des Pferdes gespielt wird, die Monteverdi als Motto di Cavallo bezeichnet, zum anderen im gesungenen Bericht des Erzählers: Ne vol Tancredi che ebbe a piede veduto il suo nemico usar cavallo e scende. (Tancredi will, als er sieht, dass sein Feind nicht beritten ist, nicht zu Pferd  kämpfen und steigt ab.)

In den letzten Jahren ist diese eindrucksvolle Vertonung einer Episode aus Tassos Gerusalemme Liberata 2, einem Ritter-Epos das zu seiner Zeit hochgerühmt und jedermann bekannt war, mehrfach aufgeführt worden, sowohl auf Festivals für Liebhaber der Alten Musik als auch auf kleinen und großen Bühnen, zuletzt in der Berliner Staatsoper unter den Linden, wo Regisseur Rene Jacobs es auf kuriose Weise zerschnitten und die Bruchstücke in die bekannte Marienvesper eingefügt hat. Verschiedene  Aufnahmen sind erhältlich.

Die für Pferdeliebhaber interessante Frage, ob  bei einer Aufführung nun wirklich ein lebendes Pferd auftreten soll, wird von allen Regisseuren durchweg mit nein beantwortet. Meines Wissens verzichten alle darauf.

Professor Silke Leopold, die eine Biografie Monteverdis mit Werkanalysen geschrieben hat, erwähnt den Auftritt zu Pferde, geht aber nicht darauf ein, andere Autoren denken an ein Holzpferd. Leider fehlen zeitgenössische Beschreibungen, so dass wir für die Uraufführung 1624 die Frage nicht entscheiden können, die klaren Hinweise Monteverdis lassen das Auftreten eines Pferdes aber durchaus als erwünscht erscheinen.

 

Mehrere Fragen sind zu beantworten: 

Kann ein hölzernes Pferd gemeint sein? 

Gab es in Venedig überhaupt Pferde und welchen Zwecken dienten sie?

Konnte man eins in den Palazzo Moccenigo bringen und dort auftreten lassen?

Welchen dramatischen Effekt hätte sein Erscheinen gehabt?

Was sagt der Notentext, den Monteverdi dem Auftritt des Pferdes zuordnet, aus?

 

Ein hölzernes Pferd scheidet, wie ich glaube  aus. Monteverdi will in diesem Werk die äußerste Erregung menschlicher Gefühle wie Kampf auf Leben und Tod, Liebe, Erlösung in den Anwesenden auslösen. Dies gelingt ihm nach eigener Aussage und für den Kenner der Musik diese bedeutendsten Musikers seine Zeit glaubhaft.   Ein hölzernes Pferde, das von Komparsen bewegt wird passt nicht zur Ernsthaftigkeit dieses Anliegens, es wäre Klamotte.

 

In Venedig soll es in der Renaissance etwa zweitausend Pferde gegeben haben, auch wenn man dies heute bei einem Besuch der Stadt nicht vermutet. Deren Verwendungszweck war vielfältig. Zum Transport von Menschen und Waren wird man sie nicht herangezogen haben. Man geht dort heute wie damals besser zu Fuß und benutzt Boote. Pferde für den Einsatz im Krieg dürfte man eher in den Ländereien der Republik außerhalb der Insel gehalten haben, einige wurden aber zum Beispiel zum Betrieb von Hebevorrichtungen bei Bauvorhaben und Hochlagern in Göpelmaschinen eingesetzt. Die größere Anzahl aber wurde ausschließlich als geliebtes und umhegtes Luxushaustier zum täglichen Vergnügen der Besitzer gehalten aber auch, ums sich bei festlichen Umzügen vorteilhaft zeigen zu können. Reitkunst war neben anderen Künsten wie Tanz, Malerei, Dichtkunst und Musik eines der wichtigsten Freizeitvergnügen derer, die Freude daran hatten und die es sich leisten konnten. Man übte sie unter Freunden auf Reitplätzen 3 aus, die in den Gärten Venedigs durchaus Platz hatten. Man ritt alle Lektionen der hohen Schule wie sie in der Reitliteratur 4 der Zeit beschrieben werden.  Welche Vollkommenheit man dabei erreichte, hing wie auch heute von dem individuellen Können des Reiters ab, wie an anderen Orten in Italien wird es aber auch in Venedig einige hervorragende Könner auf vollendet ausgebildeten Pferdengegeben haben.

 

Im Palazzo Moccenigo befindet sich ein Saal, der heute in Stuhlreihen einige hundert Zuschauer fasst. Monteverdi sagt, dass nur die vornehmsten Musikfreunde anwesend waren, es sollte also einiger Platz für die Aufführung zur Verfügung gestanden haben. Ein Pferd auf eine Theaterbühne 5 zu bringen war nicht ungewöhnlich. Man hat aus der Theatergeschichte vielfältige Nachrichten darüber. Pferde bleiben auch bei größtem Trubel gelassen, wenn sie auf Vertrauensbasis von ihrer Bezugsperson an solche Aufgaben herangeführt werden. Im Combattimento treten bei Kerzenlicht nur drei Personen auf, die von fünf Streichern und einem Cembalo begleitet werden, im Vergleich zu dem Gedröhne und Lichtorgien heutiger Massenveranstaltungen also eine sanfte Umgebung. Die Spielstätte muss groß genug sein, um den Regieanweisungen Monteverdis, den Kampf betreffend durchführen zu können. Ein vollendet ausgebildetes Schulpferd, das in perfekter Versammlung galoppieren, kleinste Volten und Pirouetten ausführen konnte  hätte genügend Raum, zumal es sich um einen wendigen Iberer mit einem Stockmaß von etwa 150 cm gehandelt haben dürfte, wie man sie zu dieser Zeit bevorzugte. 

 

Das Auftreten eines solchen Pferdes muss ungeheuer eindrucksvoll gewesen sein. Dies ist für jeden glaubhaft, der einmal erlebt hat, mit welch überragender Ausstrahlung ein iberischer Hengst sich präsentieren kann. Ein Bild kann dies nur unvollkommen wiedergeben, denn die kraftvolle aber kontrollierte Bewegung im Galopp macht den Großteil des Eindrucks aus. Diesem Eindruck kann sich niemand entziehen und die Gefahr besteht, dass der eigentliche Zweck des Werkes, nämlich die Darstellung der menschlichen Tragik des Geschehens, in den Hintergrund gerät. Wohl um dies zu vermeiden ist der Auftritt des Hengstes auf die Eingangsszene begrenzt. 

 

Monteverdi, der wie alle großen Musiker ein Meister des sparsamsten Einsatzes der kompositorischen Mittel ist,  beschränkt sie im Motto di cavallo noch einmal auf ein Minimum. Ein einziger Akkord  (d-Dur in enger Lage) wird zunächst zwanzig mal wiederholt und zwar abwechselnd in ganzen und halben Noten im Rhythmus des Galopps. Kein anderes Lebewesen kann einen Dreitakt eindrucksvoller wiedergeben als ein Pferd in dieser Gangart. Offensichtlich soll dem Pferd zunächst die ungeteilte Aufmerksamkeit gelten. Danach folgen weitere Wiederholungen des Akkords, wobei die halben Noten durch zwei Viertel ersetzt werden, erst danach entfaltet sich ein einfacher vierstimmiger Satz, der zunehmend belebter wird und so die Entfaltung der Verfolgungsszene genial untermalt.

 

Leider gibt die Musikgeschichte wenig derartige direkte Zusammenhänge zwischen Reitkunst und Musik preis. Von den Pferdeballetten des Seicento aus den italienischen Metropolen wie Florenz und Mailand weiss man zwar die Namen einiger Komponisten, die Musik selbst ist aber nicht überliefert. Löhneysen zeigt in seinem Buch einige Partituren von Tanzsätzen und die von Johan Heinrich Schmelzer zu dem gigantischen Pferdeballett, das anlässlich der Hochzeit von Leopold I. am Wiener Hof 1673 aufgeführt wurde, sind erhalten. Allerdings ist jede Tanzmusik aus Renaissance und Barock, wenn sie im richtigen Tempo gespielt wird, geeignet, Reitkunst und Musik harmonisch zu vereinen. 

 

 

 

 

 

 

 

 

0) Die Bezeichnung Cavallo Mariano ist mir nicht bekannt. Es könnte auf ein Zuchtgebiet in Oberitalien, wo es eine Ort dieses Namens gibt, hinweisen.

 

1)  Claudio Monteverdi war noch  vor Jahrzehnten  nur wenigen Liebhabern bekannt, heute werden seine Werke, insbesondere seine Marienvesper  aber häufiger aufgeführt.  Er war zunächst am Hof in Mantua tätig und wurde später Domkapellmeister an San Marco in Venedig. Er gilt als bedeutendster Komponist seiner Zeit angesehen, insbesondere für die Enstehung der Oper. Sein VIII. Madrigalbuch: Madrigali guerreirie et amorosi, wurde 1638 veröffentlicht. Wann Monteverdi das Combattimento komponiert hat ist nicht bekannt.  Die Partitur wirkt unscheinbar, erst bei Hören erkennt man, welcher Geniestreich dem Komponisten mit diesem einmaligen Werk gelungen ist. Ein Zeuge berichtet von einem langen und heftigen Schwertkampf zwischen dem christlichen Ritter Tankredi und der Sarazenin Clorinda, die er liebt, aber nicht erkennt, da sie auch in einer Ritterrüstung steckt. Schließlich bringt er sie um, erkennt sie und tauft sie auf ihren letzten Wunsch. Die beiden Kämpfenden sagen nur wenig, ihre Kampf wird durch die Musik in jeder einzelnen Phase ausgedrückt. Sie können den Anfang des Werkes im Internet hören (www.reitlehre.de) unter Reitkunst und Musik - Il combattimento)

 

2) Tassos La Gerusalemme liberata gehört wie auch Ariosts Orlando furioso zu den großen italienischen Ritterepen der Renaissance, die jeder Gebildete gelesen haben musste, um den Vorstellungen der Zeitgenossen von einem Cortegiano zu genügen. Beide enthalten fiktive Geschehnisse zu Zeiten der Kreuzzüge.

 

3) Ein Blick auf den Stadtplan von Venedig zeigt, dass es noch heute große und wunderschöne Gärten und kleine Parkanlagen  gibt, die meistens hinter hohen Mauern verborgen sind. Ein Reitplatz, wie er von Gueriniére beschrieben wird hatte ungefähr die Maße 17 mal 38 Meter.

 

4) Verschiedene Autoren der Renaissance wie Grisone, Corte, Fiaschi, Caracciolo und andere beschreiben die Bahnfiguren und Schulsprünge, die in den Reitakademien ausgeführt wurden. Die Texte könne im Internet eingesehen werden (www.reitlehre.de).

 

5) In London wurden zur Zeit Händels mehrfach Pferde auf die Bühne gestellt. Im 19. Jahrhundert wurden ganze Schlachtenszenen mit lebenden Pferden aus der Bühne nachgestellt. In einem meiner Videos galoppieren drei Lipizaner auf engstem Raum in einer Nische mehrfach um einen Tisch, an dem Eva Braun und ihre Freundinnen Kaffe trinken.

 

Das Bild zeigt eine Reiterstatue von Louis IX. Der Künstler ist unbekannt.